Die Thermalquellen in der Aachener Innenstadt und in Burtscheid zählen mit über 70°C zu den heißesten Quellen Mitteleuropas. Die Stadt verdankt dem heißen Wasser nicht nur die Gründung, sondern auch die politische und wirtschaftliche Entwicklung.
Dieses Wasser ist Regen, der vor Jahrtausenden in der Eifel und den Ardennen niederprasselte und besonders tief versickerte. Geothermie, d. h. Erdwärme erhitzt es mit zunehmender Tiefe um 3 Grad je hundert Meter. Auf dem Weg nach oben kühlt das Wasser wieder ab, ist aber immer noch heiß genug, um damit beispielsweise eine Heizung zu speisen.
Neues Fraunhofer Institut
„An das Aachener Thermalwasser gehen wir nicht ran“, verspricht Prof. Dr. Rolf Bracke. Er ist Leiter der Fraunhofer-Einrichtung für Energieinfrastrukturen und Geothermie IEG, das Anfang 2020 aus dem Internationalen Geothermiezentrums in Bochum hervorgegangen ist.
Das IEG forscht an sieben Standorten in den Bergbauregionen im Osten und im Westen an geothermischen Energiesystemen, unter anderem in Aachen, Jülich und Weisweiler. Weitere Forschungsgebiete sind die Speicherung von Energie und die Verknüpfung der Energiesektoren Strom, Wärme, Gas und Verkehr.
„Grundsätzlich kann jeder seine Heizung mit Erdwärme betreiben“, erklärt Bracke, das habe er bei seinem Wohnhaus im Aachner Westen ebenfalls getan. Für den privaten reichen in der Regel Bohrungen von unter 100 Metern Tiefe. Der Vorteil: Geothermie gibt es umsonst und zwar 24 Stunden am Tag, 365 Tage im Jahr. „Das ist absolut wirtschaftlich“, kommentiert Bracke. Natürlich kosten die Bohrung und der benötigte Wärmetauscher, aber die Heizungen allein verschlingen weit mehr als die Hälfte der gesamten Energie, die jedes Jahr in Deutschland verbraucht wird.
Geothermie hat Potential
Heizen ist besonders energieintensiv, das merken die meisten von uns an den hohen Heizkosten. Die Städte Aachen und Weisweiler sowie das Forschungszentrum Jülich nutzen daher die Abwärme des Kohlekraftwerks Weisweiler. Mit dem Ausstieg aus der Kohleverstromung versiegt diese Fernwärme und fast 100 Megawatt Energie müssen durch alternative Quellen ersetzt werden.
„Geothermie hat enorm großes Potential“, weiß Peter Kukla. „Sie kann zukünftig die Abwärme ersetzen und einen wesentlichen Beitrag zur nachhaltigen Energieversorgung in der Region leisten.“ Professor Kukla ist Leiter des Geologischen Instituts und Dekan der Fakultät für Georessourcen und Materialtechnik der RWTH. Er hat zudem die Verantwortung für den Aufbau des IEG Standortes Aachen mit den Abteilungen für Georessourcen und für Speichertechnologien.
„Die Umwelteffekte sind lokal begrenzt und technisch beherrschbar“, beruhigt Kukla Kritiker. „Strom- und Wärmeerzeugung aus Geothermie ist die sicherste Energieversorgung überhaupt und eine hervorragende umwelt- und klimafreundliche Alternative zur fossilen Energie.“ Erste wissenschaftliche Vorerkundungen für das Rheinland will das IEG in diesem Jahr noch starten, wenn die Gespräche mit interessierten Partnern aus der Wirtschaft abgeschlossen sind.
Einstieg in den Ausstieg
Ist das Temperaturniveau hoch genug, kann ein Geothermiekraftwerk auch Strom erzeugen. In München, wo die geologischen Voraussetzungen ähnlich sind wie die im Rheinland, funktioniert das bereits einwandfrei. Die Energiekosten sind für die Verbraucher gesunken. München könnte schon bald die erste CO₂-neutrale Großstadt in Deutschland werden.
Technisch seien wir schon sehr weit ist sich Bracke sicher: „Aachen kann auch CO2-neutral werden. Die Energiewende ist eine technische, aber vor allem auch eine gesellschaftliche und politische Herausforderung.“ Es gehe darum Vorbehalte und alte Denkmuster abzulegen. Veränderungen wohnt schließlich auch immer eine Chance inne, auch was Arbeitsplätze betrifft. „Unser Ziel ist es, durch unsere Forschung eine nachhaltige Energiewende zu ermöglichen und gleichzeitig neue Perspektiven zu schaffen“, so Bracke weiter.
Hohe Investitionen in die Region
Ob konventionell oder regenerativ, statistisch ist die Produktion von einem Megawatt Energie an 15 Arbeitsplätze gekoppelt. Es geht also in erster Linie darum, die Energieproduktion in der Region zu halten. Zusätzlich müssen wir auch für die Speicherung von Energie neue Lösungen finden. Dies ist eben ein Forschungsschwerpunkt des Aachener IEG Standortes. „Wir planen mit 40 bis 60 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Aachen“, berichtet Kukla. Dementsprechend sucht er nun wissenschaftliches Personal für das neue Institut.
Doch damit nicht genug. „Es hat sich in anderen Projekten und Standorten gezeigt, dass jeder Euro, der in ein Fraunhofer-Institut investiert wird, 18 Euro für das Bruttoinlandsprodukt mobilisiert“, erläutert Bracke. Das dürfte sich für die Region lohnen. In den ersten fünf Aufbaujahren sollen 100 Millionen Euro in die neuen Standorte fließen, die jeweils zur Hälfte vom Land und vom Bund finanziert werden.
Gute Aussichten für die spannende Reise zur Klimaneutralität, die eben erst begonnen hat. Aber wir dürfen keine Zeit mehr verlieren, verdeutlichen die beiden Experten.