Von den Alpen an die Nordsee. Ende August machen sich überzeugte Elektomobilisten auf den Weg von Zürich bis nach Norderney. Es soll die längste jemals elektrisch geflogene Strecke werden und die höchste je mit einem Elektroflugzeug erreichte Flughöhe. Insgesamt 7 neue Weltrekorde wollen die Pioniere aufstellen.
Als Charles Lindbergh 1927 mit seinem Flugzeug erfolgreich den Atlantik überquerte, reizten ihn mit Sicherheit auch die 25.000 Dollar Preisgeld. „Flying Fool“ nannte ihn die Presse vor seinem Flug, denn bei dem Versuch, allein den Atlantik zu überfliegen waren bereits einige Flugpioniere vor ihm ums Leben gekommen. Nachdem er es geschafft hatte, war Lindbergh ein Held.
Ganz so dramatisch wird es bei dem anstehenden Transdeutschlandflug wohl nicht werden. Zum einen ist die Aufgabe nicht ganz so halsbrecherisch und zum anderen gibt es kein Preisgeld. „Leider!“, sagt Malik Aziz, denn umsonst ist der Elektroflug von Zürich nach Norderney nicht. Aber immerhin sei elektrisches Fliegen vier Mal effizienter als mit fossilem Treibstoff, rechnet der Aachener Diplom Designer vor. Malik ist einer von Fünfen und im Team für die Medien zuständig. Er kümmert sich auch um die Sponsoren, die das Team händeringend sucht und zwar kurzfristig. „Die Idee zu dem Rekordflug ist nicht einmal einen Monat alt“, erzählt Malik.
Wie alles begann
Während der Dreharbeiten zum Videoprojekt „Die Zukunft der Luftfahrt“ twitterte Malik ein paar Bilder aus der Schweiz. Er und Morell Westermann haben dort Marco Buholzer getroffen, der das einzige zugelassene Elektro-Schulflugzeug besitzt. Die Velis Electro von Pipistrel hat einen 60 kW-starken Motor und modernste Batterietechnik. Morell und Malik sind Elektrofans und kennen sich vom Podcast „Cleanelectric“, dem größten deutschsprachigen Podcast über Elektromobilität.
Tobi Pape lebt als Bierbrauer auf Norderney, fährt seit 20 Jahren elektrische Autos und interessiert sich ebenfalls für elektrische Flugzeuge: „Elektroflieger wären hier beim Inselhopping mit kurzen Distanzen ideal.“ Als er die Bilder auf Twitter sieht, schreibt er die beiden Podcaster sofort an. „Ich habe spontan die Idee gehabt, ob es nicht möglich wäre, einen Elektroflug aus der Schweiz nach Norderney zu unternehmen“, erinnert sich Tobi.
Visionäre Idee braucht Unterstützer
Als Tobi und Morell noch am selben Abend telefonieren ist die Idee geboren. „Das Elektroflugzeug schafft nur etwa 100 Kilometer am Stück. Aber es ist so, wie mit den Autos, die kann man ja auch wieder aufladen“, erklärt Morell. Er fragt Marco, ob er mal mit seiner Pipistrel an die Nordsee fliegen möchte. Er hat Lust. Morell ruft Malik an: „Wir bräuchten eine professionelle Video-Dokumentation einer außergewöhnlichen Flug-Safari quer durch Deutschland.“ Malik sagt ebenfalls sofort zu. Tom Albrecht komplettiert das Team, auch er findet das Projekt verrückt genug, um dabei zu sein.
Die fünf Elektrofreunde klären die Machbarkeit und checken die Finanzen, sie suchen Routen und prüfen, ob das schon einmal jemand versucht hat. Dabei fällt ihnen auf: „Wenn wir das durchziehen, schaffen wir sieben Weltrekorde auf einmal“, erzählt Tobi, „höchste Durchschnittsgeschwindigkeit über 700 km sowie höchste je mit einem Elektroflugzeug erreichte Flughöhe, geringster Energieverbrauch pro Kilometer pro Person, längste elektrisch geflogene Strecke, usw.“
Doch als sie die Weltrekord-Anträge beim Herausgeber des Buches „Guinness World Records“ stellen, fällt ihnen auf, dass es nur die wenigsten Dinge umsonst gibt. Insgesamt beziffern sich die Kosten für das Projekt auf 80.000 Euro.
Fliegen muss nicht klimaschädlich sein
Weshalb die Freunde die fliegende Elektro-Expedition unternehmen, erklärt Tom so: „Fliegen mit Kerosin ist extrem klimaschädlich. Der Anteil der Luftfahrt am Treibhauseffekt liegt heute bei ca. fünf Prozent, Tendenz steigend. Ein besonders großes Problem für den Luftverkehr sind die Emissionen in der großen Höhe. Wir wollen zeigen, dass es auch anders geht, auch wenn wir nicht die gesamte Stecke am Stück schaffen, CO₂-neutrales Fliegen ist heute schon möglich!“
„Die meisten Kleinflugzeuge fliegen sowieso Strecken, die kürzer als 200 Kilometer sind, das könnte man doch auch elektrisch machen“, findet Tobi. „Ich frage mich auch, weshalb auf einer Insel mit sechs Kilometern Durchmesser nicht ohnehin alle Mobilität elektrisch ist, aber das ist schon wieder ein anderes Thema.“
Auch wenn es der Luftfahrtindustrie aktuell nicht besonders gut geht, profitiert sie seit Jahrzehnten von direkten und indirekten Subventionen. Ein fairer Wettbewerb zwischen konventionellen Antrieben und Elektroflugzeugen gibt es daher nicht. Nach Angaben des Bundesumweltamtes (UBA) werden in Deutschland die Flüge mit 12 Milliarden Euro pro Jahr subventioniert, vor allem durch die Befreiung von der Mehrwertsteuer auf Tickets und die Energiesteuer auf Kerosin.
„Wir beweisen am 30. August mit unserem außergewöhnlichen Flug: Die Zeit der Elektroflugzeuge ist da!“, betont Marco. Die Landung ist für den 1. September geplant.
7 Weltrekorde auf einen Streich:
• Geringster Energieverbrauch pro Kilometer in kWh
• Höchste Durchschnittsgeschwindigkeit über 700 km
• Höchste je mit einem Elektroflugzeug erreichte Flughöhe
• Schnellste Steigleistung von 0-1000m / 1000-2000m / 2000-3000m
• Schnellste Durchschnittsgeschwindigkeit über 100km
• Geringste Anzahl Zwischenstopps auf 700km Distanz
• Längste elektrisch geflogene Strecke in 24 / 48 / 56 Std.
Mehr Infos hier: Elektro Weltrekordflug