Was haben Kamele mit dem Klimawandel zu tun?

„Was wünscht du dir zum bestandenen Abitur?“, habe ich meine Tochter mehrfach gefragt. „Ich weiß nicht“, war jedes Mal ihre Antwort oder „Nichts!“ – „Ich möchte auf einem Elefanten reiten oder einem Kamel“, sagte sie irgendwann halb ernst, halb ironisch – sie reitet leidenschaftlich (auf Pferden) seit dem sie klein war.

Na also, damit kann ich doch arbeiten. Als Vater möchte ich ihr schließlich zeigen, wie wichtig mir ihr erfolgreiches Abitur ist und wie stolz ich bin. Sie war engagierte Klassensprecherin der ersten und einzigen Inklusionsklasse ihrer Schule. Sie hat über zwei Jahre Corona-Chaos unter der Leitung einer heillos überforderten NRW-Bildungsministerin mit Maskenpflicht/keine Pflicht, Fenster auf/zu und in-die-Hände-Klatschen überlebt.

Acht Jahre lang habe ich sie in aller Herrgottsfrühe geweckt und angefeuert, damit sie nicht zu spät kommt, zuerst das kleine Mädchen und schließlich die junge Frau. Ich habe Schulbrote geschmiert und Äpfel geschnitten, mit ihr Hausaufgaben gemacht, Vokabeln abgefragt und an den Turnbeutel gedacht. Ich war bei quälenden Elternabenden („dürfen die Kinder rote Stifte haben? Ich meine ja nur, weil…“) und habe besorgt aus dem Fenster gesehen, wenn sie zu spät nach Hause gekommen ist. Bei den Elternsprechtagen wurde mir berichtet, dass sie während des Unterrichts zu viel mit den anderen quatscht, sich zu wenig am Unterricht beteiligt und auf dem Schulhof ein Rowdy ist.

Elefantenreiten habe ich ausgeschlossen, aber Kamelreiten muss doch an einem verlängerten Wochenende möglich sein. Ich wollte immer schon nach Ägypten und die Pyramiden sehen. Auch der berühmte Marktplatz in Marrakesch steht weit oben auf meiner Bucket List. Da wird man als Tourist doch irgendwo auf einem Kamel reiten können. Ich checke die billigen Fluggesellschaften und klicke mich bei Airbnb durch das Angebot.

„Meine Fresse ist das günstig“, meldet sich mein schlechtes Gewissen. Ich habe Flugscham. War ich doch mehrfach mit meinen Kindern auf Fridays für Future Demos, verzichte weitestgehend auf Fleisch, kaufe bewusst regional und saisonal, Fashion interessiert mich nicht und nach Möglichkeit repariere ich Sachen, wenn sie kaputt sind.

Da steht aber, dass ich einen CO2-Ausgleich erwerben kann… und weiß selbst, dass es nichts weiter als ein Ablassbrief der Fluggesellschaften ist. Habe ich den Kids nicht immer ins Gewissen geredet, wenn sie bei Regen gefragt haben, ob ich sie mit dem Auto fahre? Aber die Abiturientin hatte doch sonst keinen Wunsch. Es ist Zeit, dass ich mir die Zahlen ansehe und mir die Frage stelle, in welchen sauren Apfel ich beiße.

Wieviel Kerosin verbraucht ein Flugzeug?

Nur 3,5 Liter Kerosinverbrauch auf 100 Kilometer pro Passagier, lockt eine Fluggesellschaft auf der Webseite. Ah, okay – das gilt nur bei Langstrecken über 3.000 Kilometer steht im Kleingedruckten. Gilt also nicht für meine Reisepläne. Auf der Mittelstrecke zwischen 800 und 3.000 Kilometer liegt der durchschnittliche Kerosinverbrauch pro Passagier und 100 Kilometer bei vier bis fünf Litern wegen der spritintensiven Start- und Ladephasen. Bei Kurzstreckenflügen liegt der Verbrauch dadurch sogar bei sieben bis acht Litern pro Passagier auf 100 Kilometer. Unser Passat braucht auf der Langstrecke knapp unter sechs Liter Benzin mit bis zu fünf Personen auf 100 Kilometer, im Stadtverkehr etwas mehr.

Letztes Jahr sind wir an die Nordsee gefahren und überlegten, den Zug zu nehmen. Knapp 1.000 Euro hätten uns Hin- und Rückweg gekostet, von Bahnhof zu Bahnhof. Für die etwas mehr als 400 Kilometer-Strecke hätten wir mit der Bahn acht Stunden benötigt – genau: Hätten, wir haben das Auto genommen. Die Bahn braucht übrigens pro Passagier und 100 Kilometer ca. drei Liter Benzinäquivalent, wenn man es umrechnet.

Zurück zu den Flugzeugen: Ein voll besetzter Airbus verbrennt gut und gerne 10.000 Liter Kerosin pro Stunde. Bei der sechsstündigen Flugzeit von Frankfurt nach New York ergibt das etwa 60.000 Liter. Bei der Verbrennung von einem Kilogramm Kerosin entstehen laut Umweltbundesamt ca. 3,15 Kilogramm CO2 – ich weiß, wir müssen vorsichtig vergleichen, Liter ist ein Volumen und Kilogramm ein Gewicht. Aber weil Kerosin in diesem Fall flüssig ist und CO2 gasförmig, geht es nicht anders.

Das entscheidende Problem beim Flugzeug ist die Höhe, in der die Schadstoffe ausgestoßen werden. In diesem hochsensiblen Bereich der Atmosphäre ist der klimaschädigende Einfluss von CO2, Stick- und Schwefeloxiden sowie Ruß deutlich größer. Selbst Wasserdampf, der in jedem Verbrennungsmotor und auch bei Brennstoffzellen entsteht, hat negative Auswirkungen. Umweltverbände gehen davon aus, dass jeder Liter Treibstoff, den ein Flugzeug dort oben verbrennt, das Klima zwei- bis viermal so stark schädigt wie ein Liter Autokraftstoff.

Umweltkosten berechnet mit den Werten von 2017 ohne Lärmfolgen, Quelle: Bundesumweltamt

Kurzstreckenflugverbot ohne Kerosinsteuer?

Die Passagierflüge in Deutschland im Jahr 2020 waren nach Angaben der OECD für einen CO2-Ausstoß von insgesamt 9,75 Millionen Tonnen verantwortlich. Laut Statistischem Bundesamt sind etwa die Hälfte der Passagierflüge, die auf deutschen Hauptverkehrsflughäfen starten oder landen, Kurzstreckenflüge. Auf ihr Konto gehen insgesamt 2 Mio. Tonnen CO2, die reinen Inlandsflüge verursachen 740.000 Tonnen.

Einige Politikerinnen und Politiker möchten gerne Kurzstreckenflüge zu verbieten. Allerdings stärkt ein Kurzstreckenflugverbot nicht automatisch die Schiene, sondern eher das Auto. Will man uns auf die Schiene locken, muss man attraktive Angebote machen. Funklöcher schließen und eine stabile Internetverbindung auf der Strecke ist beispielsweise für Geschäftsreisende wichtig.

Übrigens: genau genommen haben die Franzosen Kurzstreckenflüge nicht verboten. Eine Flugverbindung wird dann verboten, wenn ein Ziel auch per Eisenbahn in weniger als 2,5 Stunden Fahrtzeit zu erreichen ist. So lange brauche ich mit der Bahn von Aachen nach Wesel zu meiner Mutter, das sind (mit dem Pkw) keine 150 Kilometer Entfernung.

In den vergangenen Jahrzehnten ist das aller meiste Geld in den Ausbau des Autoverkehrs geflossen. Für eine Verkehrswende müsste das Geld aber in die Verbesserung des Schienenverkehrs fließen. Nur mit einem massiven Ausbau der Schiene kann man Inlandsflüge überflüssig machen. Eine engere Taktung der Züge, eine Modernisierung des Schienennetzes und mehr Nachtzüge würden helfen.

Auch Fridays for Future kritisiert die Debatte um ein mögliches Verbot von Kurzstreckenflügen. „Ein Verbot von Kurzstreckenflügen kann nur einen Bruchteil der notwendigen Emissionsreduktionen im Flugverkehr leisten“, erklärte die FFF-Sprecherin Carla Reemtsma einem Wirtschaftsmagazin. Sie ist sich sicher, dass die Diskussion um persönliche Einschränkungen im Lebensstil nur ablenke. „Der Pfad zur Klimaneutralität führt allein über eine grundlegende Transformation von Wirtschaft und Produktion“, so Reemtsma. Das endlose Wachstum wie es auch Wirtschaftsminister Robert Habeck mit Klima- und Umweltschutz verknüpft vorstellt, ist eine Illusion. Gut fürs Image, aber ohne Konsequenz für das Klima.

Ja, das Flugzeug ist das schmutzigste Verkehrsmittel. Ich will das nicht klein reden, aber der Effekt eines Verbots von Kurzstreckenflügen bliebe überschaubar: Auf die deutsche Gesamtemission von jährlich ca. 730 Mio. Tonnen CO2 bezogen, sind das 0,1 %, die Inlandsflüge verursachen beziehungsweise 0,27 % bei allen Kurzstrecken.

Kurzstreckenflugverbot, Plastiktütenverbot, die Subventionierung von Elektroautos. Das ist nett, aber eben nicht mehr. Mit solchen Ideen verschieben wir den Weltuntergang um ein paar Tage, aber verhindern werden wir ihn so nicht. Klimaschädliche Produktionen und Produkte nicht mehr zu subventionieren angefangen bei der Landwirtschaft wäre ein viel stärkeres Zeichen. Und natürlich brauchen wir eine Kerosinsteuer, damit erst einmal ein fairer Wettbewerb zwischen den Transportmitteln entsteht. Weshalb soll ich mit dem Zug nach London fahren, wenn der Flieger 50 Euro und weniger kostet?

89 % der Deutschen wünschen von Unternehmen mehr Nachhaltigkeit – 42 % der Verbraucherinnen und Verbraucher handeln jetzt schon aktiv nachhaltigkeitsbewusst. Was heißt das Genau? „Wir trennen den Müll auf Teufel komm raus“, sagten Marianne und Michael das Moderatoren- und Gesangsduo in einer Talkshow. Die fühlen sich wie Captain Planet, weil sie den Müll trennen. Wir müssen die Aufgaben, die uns der Klimawandel stellt einmal ehrlich kommunizieren!

Die Zahlen zeigen jedenfalls, dass mittlerweile wieder genauso viel geflogen wird wie vor der Pandemie. Können, müssen und wollen wir denn auf das Fliegen verzichten? Meine Meinung: Lasst uns der Umwelt zuliebe mit Bedacht Fliegen. Überlegt euch, ob dieser oder jener Flug tatsächlich sein muss. Zum Shoppen nach New-York? Ich bitte dich! Junggesellenabschied auf Mallorca, Golfen am Arsch der Welt und so weiter, bitte lasst das sein.

Wir müssen die regenerative Energieproduktion massiv ausbauen. Daran führt kein Weg vorbei, anders geht es nicht. Und dann müssen wir diese Energie priorisieren. Wir haben übrigens eine Kamelfarm gefunden, in Issum, am Niederrhein mit glücklichen Kamelen. Dort haben wir mit der ganzen Familie einen schönen Tag verbracht und extrem viel gelernt.

Durch die weitere Nutzung der Seite stimmst du der Verwendung von Cookies zu. Weitere Informationen

Die Cookie-Einstellungen auf dieser Website sind auf "Cookies zulassen" eingestellt, um das beste Surferlebnis zu ermöglichen. Wenn du diese Website ohne Änderung der Cookie-Einstellungen verwendest oder auf "Akzeptieren" klickst, erklärst du sich damit einverstanden.

Schließen